Zentrales Kriterium der krankheitsbedingten Kündigung ist die sogenannte negative Gesundheitsprognose. Ohne sie ist eine derartige Kündigung rechtswidrig.
Was ist eine negative Gesundheitsprognose?
Eine krankheitsbedingte Kündigung soll nicht vergangene Fehlzeiten „bestrafen“. Ihr Zweck besteht vielmehr darin, zukünftige betriebliche oder wirtschaftliche Belastungen für den Arbeitgeber zu vermeiden. Deshalb muss beim Zugang der Kündigung schon erkennbar sein, dass der Arbeitnehmer auch künftig in erheblichem Umfang krankheitsbedingt fehlen wird und dass diese Ausfallzeiten für den Betrieb nicht mehr zumutbar sind.
Die Prognose stützt sich auf objektiv feststellbare Tatsachen. Typischerweise spielen dabei die bisherigen Fehlzeiten eine Rolle, allerdings nur mittelbar; sie dienen als Indiz für den möglichen zukünftigen Verlauf. Entscheidend ist, ob aus ihnen auf eine dauerhaft erhöhte Krankheitsanfälligkeit geschlossen werden kann.
Wann sehen Gerichte eine negative Prognose als gegeben an?
Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen häufigen Kurzerkrankungen und lang andauernden Erkrankungen. Bei häufigen Kurzerkrankungen können bereits mehrere Wochen Arbeitsunfähigkeit pro Jahr ausreichen, wenn sich über mehrere Jahre hinweg ein auffälliges Muster ergibt. Es gibt hierbei keine feste Unter- oder Obergrenze. So hat die Rechtsprechung etwa eine negative Prognose angenommen, wenn über mehrere Jahre hinweg zwischen rund 35 und 78 Arbeitsunfähigkeitstage pro Jahr vorlagen.
Bei lang andauernden Erkrankungen genügt eine bloße mehrmonatige Arbeitsunfähigkeit nicht automatisch. Zwar ist eine länger bestehende Erkrankung ein wichtiges Indiz dafür, dass sie weiter andauern könnte; doch braucht es zusätzliche objektive Hinweise, die einer baldigen Genesung entgegenstehen. In der Praxis kann eine Krankheit, die erst zwei Monate besteht, für sich genommen noch keine negative Prognose rechtfertigen. Vier Monate hingegen können – abhängig von der Krankheitsart und dem Gesamtverlauf – ausreichen. Gleichzeitig gibt es Fälle, in denen trotz sehr langer Krankheitszeiten keine negative Prognose angenommen wurde, etwa wenn seit über einem Jahr keine erneute Arbeitsunfähigkeit mehr eingetreten ist oder wenn die Erkrankung gut behandelbar erscheint.
Wann fehlt eine negative Gesundheitsprognose?
Fehlt es an objektiven Anhaltspunkten für zukünftige Ausfallzeiten, darf nicht gekündigt werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn medizinische Entwicklungen eine Besserung erwarten lassen, etwa durch eine bevorstehende Operation oder eine bereits erfolgreich angesprochene Therapie. Auch wenn sich aus ärztlichen Gutachten ergibt, dass eine Erprobung im Arbeitsalltag sinnvoll wäre, verbietet sich eine abschließende negative Prognose. Ebenso wenig dürfen einmalige Ereignisse – etwa ein Betriebsunfall – zur Begründung herangezogen werden.
Ärztliche Bescheinigungen: rechtlich heikel
In der Praxis tauchen häufig ärztliche Bescheinigungen auf, die dem Arbeitnehmer bestimmte Tätigkeiten, beispielsweise schweres Heben, häufiges Bücken oder Arbeiten über Kopf, aus gesundheitlichen Gründen untersagen. Solche Atteste werden von Arbeitgebern oft als Hinweis auf eine dauerhafte krankheitsbedingte Einschränkung verstanden. Tatsächlich sind sie jedoch meist lediglich ärztliche Empfehlungen und begründen für sich genommen keine negative Gesundheitsprognose.
Die Rechtsprechung verlangt, dass der Arbeitgeber zunächst prüft, ob eine Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz möglich ist. Der Hinweis des Arztes, bestimmte Tätigkeiten zu vermeiden, rechtfertigt daher grundsätzlich keine Kündigung, sondern allenfalls eine Anpassung der Aufgaben des Arbeitnehmers. Nur wenn trotz dieser Prüfung keine sinnvolle Weiterbeschäftigung möglich ist und gleichzeitig objektive Anhaltspunkte für eine dauerhafte Erkrankung bestehen, kann eine Kündigung in Betracht kommen.
Wie Arbeitnehmer eine negative Prognose entkräften können
Eine negative Gesundheitsprognose ist kein endgültiger Befund. Der Arbeitnehmer kann ihr entgegenwirken, indem er konkret darlegt, warum künftig mit einer Stabilisierung seiner Gesundheit zu rechnen ist. Dazu kann etwa eine bevorstehende Operation, ein erfolgreicher Therapieverlauf oder der Einsatz neuer medizinischer Verfahren gehören. Häufig kann auch der Hinweis helfen, dass eine andere Tätigkeit im Betrieb ausgeübt werden kann, die mit geringeren Fehlzeiten verbunden wäre.
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