Im Zuge der Pandemie hat sich für viele Beschäftigte das Homeoffice als bevorzugte Arbeitsform etabliert. Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn ein Arzt ein Attest ausstellt, in dem er ausschließlich die Telearbeit empfiehlt? Ist „Homeoffice auf Rezept“ rechtlich bindend – oder nur ein gut gemeinter Hinweis? Die Antwort ist eindeutig: Ein Attest, das lediglich die Arbeit von zu Hause empfiehlt, ist kein Freifahrtschein für dauerhaftes Homeoffice. Arbeitgeber sind nicht automatisch verpflichtet, einem solchen Wunsch nachzukommen.
Was ist ein Homeoffice-Attest – und was nicht?
Zunächst ist zu unterscheiden: Ein ärztliches Attest bescheinigt im Fall einer Arbeitsunfähigkeit die gesundheitlichen Gründe, die zur Arbeitsverhinderung führen. Gemäß dem Entgeltfortzahlungsgesetz besteht in einem solchen Fall ein Anspruch auf Lohnfortzahlung.
Ein Homeoffice-Attest bescheinigt dem Mitarbeiter, dass er grundsätzlich zur Arbeit fähig ist, jedoch nicht im Büro arbeiten kann. Dies kann beispielsweise durch gesundheitliche Probleme wie Rückenprobleme oder psychische Belastungen durch die Bürosituation bedingt sein. Auch die Länge der Anfahrt kann ein Grund für ein Homeoffice-Attest sein. Allerdings sieht das Gesetz diese Zwischenform nicht vor. Entweder ist eine Person arbeitsfähig oder nicht.
Kein Lohn ohne echte Krankschreibung
Ein ärztliches Attest, das lediglich die Telearbeit empfiehlt, hat keinen arbeitsrechtlichen Beweiswert. Dies begründet weder einen Anspruch auf Lohnfortzahlung noch auf besondere Rücksichtnahme seitens des Arbeitgebers. Dies bedeutet konkret: Ohne eine offizielle Krankschreibung besteht kein automatischer Anspruch auf Freistellung vom Büroarbeitsplatz, und der Arbeitgeber ist auch nicht verpflichtet, das Gehalt im Krankheitsfall weiterzuzahlen.
Auch wenn das Attest sich auf den Arbeitsweg oder die Gegebenheiten im Büro bezieht, ist eine entsprechende Berücksichtigung erforderlich. Der Weg zur Arbeit ist rechtlich nicht Teil der Arbeitspflicht. Wer den Weg ins Büro nicht bewältigen kann, ist damit noch nicht automatisch krankgeschrieben.
Kein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass Homeoffice inzwischen ein verbrieftes Recht sei. Diese Annahme ist nicht korrekt. Es besteht kein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice. Ein Anspruch auf diese Leistung kann nur in bestimmten Ausnahmefällen entstehen, beispielsweise bei Schwerbehinderung oder als Teil einer individuellen Vereinbarung.
Grundsätzlich liegt die Entscheidung, wo die Arbeitsleistung erbracht wird, beim Arbeitgeber. Er ist zwar dazu angehalten, die Interessen des Mitarbeiters zu berücksichtigen, darf dabei jedoch die betrieblichen Abläufe, Teamprozesse und die Kommunikation nicht aus den Augen verlieren.
Attest ist Empfehlung, keine Verpflichtung
Ein ärztliches Attest, das Homeoffice empfiehlt, stellt lediglich eine medizinische Einschätzung dar und ist keine verbindliche Vorgabe. Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, dem automatisch zu folgen. Dennoch sollten die gesundheitlichen Einschränkungen ernst genommen werden und geprüft werden, inwiefern sie bei der Planung berücksichtigt werden können. Zu den Rechten der Beteiligten gehört auch das Recht, nach den konkreten Gründen zu fragen. Für eine fundierte und faire Entscheidung sind diese Informationen zwingend erforderlich.
Wer Homeoffice will, muss nachvollziehbar begründen
Es reicht nicht aus, wenn Sie mitteilen, dass Sie nicht kommen können, da Sie vom Arzt dazu angehalten wurden, sich zu Hause aufzuhalten. Personen, die ohne nähere Angaben lediglich ein Attest über die Ausübung der Tätigkeit im Homeoffice vorlegen, riskieren, dass ihr Verhalten als Verweigerungshaltung ausgelegt wird. Im Arbeitsverhältnis besteht eine Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber hat das Recht, über die Sachlage informiert zu sein, um eine individuelle und nachvollziehbare Entscheidung treffen zu können.
Auch innerbetriebliche Faktoren wie Teamarbeit, Abstimmungsprozesse oder Kundenkontakt sind bei der Entscheidung zu berücksichtigen, ob Homeoffice sinnvoll und möglich ist.
Eigenmächtiges Homeoffice? Klare Risiken!
Ein Wechsel ins Homeoffice ohne Zustimmung des Arbeitgebers kann arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn ein ärztliches Attest die Notwendigkeit eines solchen Wechsels bestätigt. Ein Attest verpflichtet den Arbeitgeber nicht. Unter der Voraussetzung, dass die Arbeitsbedingungen im Büro als zumutbar bewertet werden und keine offizielle Krankschreibung vorliegt, ist es dem Arbeitgeber gestattet, auf Präsenz zu bestehen. Eigenmächtiges Handeln kann zu Abmahnung oder sogar Kündigung führen.
Kein Automatismus – sondern Einzelfallentscheidung
Ein ärztliches Attest, das ausschließlich die Ausübung von Tätigkeiten im Homeoffice empfiehlt, kann nicht als Krankschreibung angesehen werden und begründet keinen Anspruch auf eine Arbeitsstelle im häuslichen Umfeld. Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, solche Empfehlungen umzusetzen, aber sie sind dazu verpflichtet, sie sorgfältig zu prüfen.
Das Ziel sollte eine ausgewogene Einzelfallentscheidung sein, die sowohl gesundheitliche Aspekte als auch betriebliche Anforderungen berücksichtigt.
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