Der gesetzliche Mindesturlaub unterliegt einem besonderen Schutz, der selbst durch einen gerichtlichen Vergleich nicht einfach aufgehoben werden kann. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dies in einem aktuellen Fall noch einmal klar betont. Der Versuch, durch eine vertragliche Regelung auf offenen Urlaub zu verzichten, scheiterte eindeutig. Gesundheitsschutz und gesetzlich verankerte Rechte sind nicht verhandelbar.

Krank im letzten Arbeitsmonat

Ein Betriebsleiter war vom 1. Januar 2019 bis zum 30. April 2023 bei einem Unternehmen beschäftigt. Im Jahr 2023 war er durchgehend krank – eine Rückkehr an den Arbeitsplatz war nicht mehr möglich. Im März 2023 kam es dennoch zu einer einvernehmlichen Trennung. Die Parteien einigten sich auf einen gerichtlichen Vergleich, der das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung beendete. In dem Vergleich war auch eine Formulierung enthalten, die suggerierte, der Urlaub sei „in natura gewährt“ worden. Die Realität stellte sich jedoch anders dar. Im April war der Mitarbeiter aufgrund von Krankheit nicht in der Lage, Urlaub zu nehmen.

Urlaubsabgeltung nachträglich gefordert – und zugesprochen

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der ehemalige Mitarbeiter eine finanzielle Abgeltung für die sieben verbliebenen Urlaubstage. Die geforderte Summe beläuft sich auf 1.615,11 Euro. Die Arbeitgeberin verweigerte die Zahlung, doch das Bundesarbeitsgericht hat den Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestätigt.

 

Vertraglicher Verzicht unwirksam – Gesetz bricht Vertrag

Die zentrale rechtliche Grundlage ist § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Im Anschluss ist eine Abgeltung für nicht genommene Urlaubstage erforderlich, die aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden können. Der im Vergleich festgehaltene vermeintliche Verzicht auf Urlaub verstieß gegen § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG, der jegliche vertragliche Abweichung zum Nachteil des Arbeitnehmers verbietet. Die entsprechende Klausel im Vergleich wurde für nichtig erklärt.

 

Warum gesetzlicher Urlaub unverzichtbar ist

Der gesetzliche Mindesturlaub erfüllt nicht nur die Funktion der Erholung, sondern stellt auch ein zentrales Instrument des Gesundheitsschutzes dar und ist damit nicht verhandelbar. Das Bundesarbeitsgericht hat im aktuellen Urteil klargestellt, dass während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub unzulässig ist. Dies gilt selbst für den Fall, dass eine gerichtliche Einigung erzielt wurde. Der Urlaub ist entweder zu nehmen oder im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen.

 

Keine Ausnahmen durch „Tatsachenvergleiche“

Vergleiche im Arbeitsrecht sind grundsätzlich zulässig, allerdings nur, wenn tatsächlich ein strittiger Sachverhalt vorliegt. In vorliegendem Fall bestand kein Zweifel daran, dass der Arbeitnehmer durchgehend krank war und daher den Urlaub nicht antreten konnte. Ein sogenannter „Tatsachenvergleich“, also eine Einigung über unklare Sachverhalte, kam in diesem Fall nicht in Betracht. Damit entfiel auch jeder Spielraum für eine Ausnahme.

 

Argument „Treu und Glauben“ greift nicht

Die Arbeitgeberin berief sich im Verfahren auf den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Sie habe auf die Wirksamkeit des Vergleichs vertraut. Auch dieses Argument überzeugte das Gericht nicht. Das BAG hat geurteilt, dass ein Vertrauen auf eine rechtswidrige Regelung nicht schutzwürdig ist. Die Arbeitgeberin hätte wissen müssen, dass ein Verzicht auf gesetzlichen Urlaub unzulässig ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil klargestellt, dass vertragliche Regelungen, die zum Nachteil des Arbeitnehmers vom Bundesurlaubsgesetz abweichen, unwirksam sind. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass Urlaubsansprüche korrekt abgewickelt werden müssen. Rechtssichere Vergleiche dürfen die gesetzlichen Mindeststandards nicht unterschreiten. Für Arbeitnehmer gilt, dass ihr Urlaubsanspruch nicht einfach „verglichen“ oder ausgeschlossen werden kann.

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