Die traditionelle Vorstellung, dass Führungspositionen zwingend in Vollzeit und von einer einzigen Person ausgeübt werden müssen, verliert zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Arbeitnehmer wünschen sich kürzere Arbeitszeiten, mehr Flexibilität und eine ausgewogenere Work-Life-Balance. Dabei stellt sich die Frage, ob es einen rechtlichen Anspruch auf Führung in Teilzeit, also die Teilung einer Leitungsposition gibt.
Modelle
Unter Shared Leadership oder Jobsharing versteht man die Aufteilung einer Führungsaufgabe auf zwei oder mehrere Personen.
Dies kann auf verschiedene Weisen umgesetzt werden:
- Fachliche Aufteilung: Jede Führungskraft verantwortet unterschiedliche Themenbereiche.
- Organisatorische Aufteilung: Eine Person übernimmt Personalführung, die andere strategische Entscheidungen.
- Zeitliche Aufteilung: Die Beteiligten wechseln sich in der gleichen Rolle ab.
In allen Modellen gilt, dass trotz Teilung die Verantwortung in der Regel gemeinsam getragen wird, Entscheidungen abgestimmt werden sollten und die Rollen eindeutig definiert sein sollten.
Gibt es einen gesetzlichen Anspruch?
Aktuell existiert kein Anspruch darauf, das Unternehmen verpflichtet werden, Führungspositionen für Jobsharing zu öffnen oder in Teilzeit anzubieten. Ob ein Betrieb dieses Modell zulässt, liegt im Ermessen des Arbeitgebers.
Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)
Nach § 8 TzBfG haben Arbeitnehmer zwar unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, ihre Arbeitszeit zu reduzieren (z. B. nach mehr als sechs Monaten Betriebszugehörigkeit und in Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten).
Allerdings regelt dieses Recht nur die Arbeitszeitverkürzung, nicht die Beibehaltung einer Führungsrolle. Der Arbeitgeber kann die Führungsaufgabe nach einer Stundenreduzierung auch anderweitig besetzen.
Mitbestimmung und Beteiligung des Betriebsrats
Wird eine geteilte Führungsstruktur eingeführt, können Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) greifen. Der Betriebsrat muss beispielsweise bei Einstellungen, Versetzungen oder Umgruppierungen (§ 99 BetrVG) einbezogen werden. Auch bei neuen Arbeits- oder Vertretungsregelungen kann § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG relevant sein.
Diskriminierungsverbot
Gemäß Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dürfen Arbeitgeber Shared Leadership nicht nur bestimmten Gruppen anbieten, wenn dies auf diskriminierenden Kriterien wie Geschlecht, Alter oder Familienstand beruht. Entscheidungen müssen objektiv und sachlich begründet werden.
Haftung bei geteilter Führung
Bei gemeinsamer Verantwortung kann eine Gesamtschuldnerschaft entstehen – beide Führungskräfte haften dann für Fehler, unabhängig von der individuellen Verursachung. Um Risiken zu minimieren, sollte im Arbeitsvertrag eindeutig geregelt sein, wer für welchen Aufgabenbereich zuständig ist.
Vertragliche Gestaltung
Für eine erfolgreiche Umsetzung sind klare Vereinbarungen entscheidend. In Arbeits- oder Zusatzverträgen sollten unter anderem festgelegt werden:
- Aufgabenteilung und Entscheidungswege
- Vertretungsregelungen
- Haftungsfragen
- Außenvertretung des Unternehmens
Angesichts des Fachkräftemangels und steigender Erwartungen an flexible Arbeitsmodelle wird Shared Leadership wahrscheinlich, auch ohne Rechtsanspruch, in immer mehr Unternehmen freiwillig eingeführt, auch um talentierte Führungskräfte langfristig zu binden.
Suchen Sie dazu Rat von einem Rechtsanwalt? Gerne beraten wir Sie! T: +49 211 / 52850492; info@rechtsanwaelte-gottschalk-wetzel.de
Foto(s): @pixabay