Betriebsbedingte Kündigungen stützen sich häufig auf innerbetriebliche Organisationsentscheidungen. Damit rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie weit die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers reicht und in welchem Umfang die Arbeitsgerichte diese Entscheidungen überprüfen dürfen. Entscheidend ist, ob eine betriebliche Maßnahme tatsächlich zum Wegfall eines Arbeitsplatzes führt oder ob sie lediglich als Vorwand dient, um eine Kündigung zu ermöglichen. Die Rechtsprechung hat hierzu klare Leitlinien entwickelt.
Unternehmerische Freiheit
Die Gestaltung des Betriebs, seiner Abläufe und Strukturen ist Sache des Arbeitgebers. Er darf seine Organisation an wirtschaftliche Veränderungen anpassen, Bereiche neu strukturieren, Tätigkeiten fremdvergeben oder Arbeitsabläufe effizienter gestalten. Diese Maßnahmen werden von den Gerichten grundsätzlich respektiert. Nicht geprüft wird, ob sie wirtschaftlich notwendig, sinnvoll oder optimal sind. Maßgeblich ist allein, ob die Entscheidung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich erscheint.
Unternehmerische Maßnahmen genießen daher eine rechtliche Vermutung der Sachlichkeit. Der Arbeitgeber muss nicht begründen, warum er eine bestimmte Umstrukturierung für wirtschaftlich vorteilhaft hält. Es reicht aus, dass ein nachvollziehbares Konzept erkennbar ist. Auf die Frage, ob sich der Betrieb auch ohne diese Maßnahme hätte weiterführen lassen, kommt es nicht an. Die unternehmerische Freiheit umfasst ausdrücklich auch Entscheidungen, die lediglich der Ertragssteigerung dienen.
Zeitpunkt und Verbindlichkeit der Entscheidung
Eine betriebsbedingte Kündigung setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die wesentlichen Grundlagen für den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bereits feststehen. Es genügt nicht, dass eine Maßnahme geplant oder erwogen wird. Der Arbeitgeber muss endgültig und vorbehaltlos entschlossen sein, sie umzusetzen.
Der Beschäftigungsbedarf muss zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschafft sein. Entscheidend ist, dass die maßgeblichen Schritte bereits eingeleitet wurden und sich der prognostizierte Wegfall bis zum Ablauf der Kündigungsfrist mit hinreichender Sicherheit realisieren wird. Die Kündigung darf also auf eine organisatorische Entwicklung gestützt werden, die sich erst zukünftig voll entfaltet – vorausgesetzt, die Entscheidung ist ernsthaft, verbindlich und dokumentierbar.
Im Prozess trifft den Arbeitgeber die Verantwortung, diesen endgültigen Entschluss darzulegen. Je näher eine organisatorische Maßnahme zeitlich an den Kündigungsentschluss heranrückt, desto detaillierter muss erläutert werden, wann sie beschlossen wurde, weshalb sie notwendig ist und wie sie sich konkret auf den Arbeitsplatz auswirkt.
Fremdvergabe und Outsourcing als innerbetriebliche Maßnahmen
Die Fremdvergabe bisher intern erledigter Tätigkeiten stellt eine anerkannte organisatorische Maßnahme dar. Sie kann zur Begründung einer betriebsbedingten Kündigung herangezogen werden, ohne dass die Gerichte prüfen, ob dadurch tatsächlich Kosten eingespart werden. Der Arbeitgeber darf Aufgaben künftig durch externe Dienstleister oder Selbständige erledigen lassen, auch wenn dies wirtschaftlich nicht zwingend erforderlich scheint.
Voraussetzung ist jedoch, dass die Fremdvergabe real umgesetzt wird und nicht nur formal erfolgt. Die bisherige Tätigkeit muss tatsächlich wegfallen oder so verändert werden, dass der bisherige Arbeitnehmer nicht mehr eingesetzt werden kann. Die Entscheidung zur Fremdvergabe ist daher nur dann wirksam, wenn sie nicht lediglich als Mittel genutzt wird, um den bisherigen Stelleninhaber auszutauschen.
Ein endgültiger Entschluss zur Fremdvergabe setzt dabei nicht zwingend einen bereits geschlossenen Vertrag mit dem Dienstleister voraus. Es genügt, wenn konkrete Vorbereitungen bestehen und der Arbeitgeber davon ausgehen kann, dass die Umsetzung während der Kündigungsfrist realistisch möglich ist.
Rechtsmissbrauch und unzulässige Austauschkündigung
Die Grenze der unternehmerischen Freiheit ist dort erreicht, wo organisatorische Maßnahmen lediglich vorgeschoben werden oder sich als reine Formalakte erweisen. Missbräuchlich ist etwa die künstliche Schaffung neuer Organisationsstrukturen, während die realen Arbeitsabläufe unverändert bleiben und nur die rechtlichen Rahmenbedingungen so modifiziert werden, dass die Kündigung eines bestimmten Arbeitnehmers ermöglicht wird.
Ebenso unzulässig ist die Austauschkündigung. Sie liegt vor, wenn die Stelle zwar formell entfällt, die Tätigkeit jedoch weiterhin im Betrieb ausgeführt wird – lediglich von anderen, oft günstigeren oder neu eingestellten Kräften. Auch die bloße Auswechslung eigener Arbeitnehmer gegen Leiharbeitnehmer erfüllt diesen Tatbestand. Hier verfällt die Kündigung, weil kein echter Wegfall des Beschäftigungsbedarfs vorliegt.
Ebenso kritisch sind Konstruktionen, in denen Tätigkeiten an neu gegründete Gesellschaften verlagert werden, die wirtschaftlich, organisatorisch und personell vollständig in das Unternehmen eingebunden sind. Auch hier fehlt der tatsächliche Wegfall der Arbeit, sodass die Maßnahme kündigungsrechtlich nicht trägt.
Abbau von Hierarchieebenen und Neuverteilung der Aufgaben
Komplex wird es dort, wo die organisatorische Maßnahme lediglich auf den Abbau einer einzelnen Hierarchieebene oder die Streichung eines bestimmten Arbeitsplatzes hinausläuft. In solchen Fällen verlangt die Rechtsprechung eine besonders substantielle Darlegung des Arbeitgebers. Er muss nachvollziehbar schildern, warum gerade dieser Arbeitsplatz entfällt und wie die verbleibenden Tätigkeiten künftig verteilt werden sollen.
Es genügt nicht, pauschal zu behaupten, die Arbeit werde „mit erledigt“. Der Arbeitgeber muss konkret erklären, wie die Arbeitsmenge durch die verbleibenden Arbeitnehmer ohne überobligationsmäßige Mehrarbeit bewältigt wird. Werden zwei zuvor voll ausgelastete Arbeitsplätze zu einem einzigen zusammengeführt, sind die Gerichte besonders streng und verlangen eine detaillierte Darstellung der veränderten Arbeitsabläufe und des halbierten Arbeitsvolumens.
Neuprofilierung von Stellen und veränderte Anforderungen
Ändert der Arbeitgeber das Anforderungsprofil eines bestehenden Arbeitsplatzes, ist besondere Vorsicht geboten. Zwar kann er die Anforderungen grundsätzlich frei festlegen, doch gilt dies uneingeschränkt nur für freie Stellen. Bei besetzten Arbeitsplätzen muss sich die Änderung auf eine tatsächliche organisatorische Maßnahme zurückführen lassen. Eine bloße „Wunschqualifikation“ oder die Festlegung persönlicher Merkmale ohne Bezug zur Arbeitsaufgabe reicht nicht aus.
Die neue Profilierung muss sachlich nachvollziehbar, arbeitsplatzbezogen und durch veränderte betriebliche Abläufe begründet sein. Andernfalls verschmilzt die Profiländerung mit dem Kündigungsentschluss zu einer unzulässigen Scheinmaßnahme.
Erhöhter Darlegungsaufwand bei Maßnahmen mit Kündigungsnähe
Je stärker eine organisatorische Maßnahme inhaltlich mit der beabsichtigten Kündigung zusammenfällt, desto höher sind die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers. Er muss im Detail erläutern, wie sich die neue Struktur auf das bisherige Arbeitsvolumen auswirkt, welche Arbeit künftig entfällt und warum dies zwingend zu einem Personalabbau führt.
Fehlt diese Konkretisierung, bleibt die Organisationsentscheidung nicht überprüfbar – und die Kündigung ist unwirksam.
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