Brüssel ist nicht nur Sitz der wichtigsten europäischen Institutionen, sondern auch ein zentraler Standort für internationale Verbände, Nichtregierungsorganisationen und Interessenvertretungen. Auch deutsche Organisationen unterhalten dort eigene Niederlassungen, um ihre Anliegen gegenüber Kommission, Parlament und Rat zu vertreten. Für diese Tätigkeit wird regelmäßig die Rechtsform der „Association internationale sans but lucratif“ (AISBL), also der internationalen Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, gewählt.
Rechtliche Einordnung
Die AISBL ist eine eigenständige juristische Person des belgischen Rechts. Ihre Grundlage findet sich im belgischen Gesellschafts- und Vereinsgesetzbuch (Code des sociétés et des associations – CSA), das im Jahr 2019 umfassend reformiert wurde. Während die ASBL (association sans but lucratif) auf Vereinigungen mit rein nationaler Ausrichtung zugeschnitten ist, richtet sich die AISBL an Organisationen mit internationalem Zweck oder multinationaler Mitgliedschaft.
Die Gründung erfolgt durch notariellen Akt, wobei die Satzung bestimmten gesetzlichen Mindestanforderungen entsprechen muss. Die Vereinigung erlangt ihre Rechtspersönlichkeit mit der Veröffentlichung im belgischen Staatsblatt und ist zusätzlich im zentralen Unternehmens- und Gesellschaftsregister (Banque-Carrefour des Entreprises, BCE/KBO) einzutragen.
Sitzprinzip / belgisches Recht
Für deutsche Organisationen bedeutsam, dass sich die rechtliche Beurteilung nicht nach ihrer Herkunft, sondern nach dem Sitzprinzip richtet. Hat eine Vereinigung ihren Sitz in Belgien, so unterliegt sie dem belgischen Recht, unabhängig davon, ob ihre Mitglieder überwiegend aus Deutschland stammen oder ihre Finanzierung im Wesentlichen von dort erfolgt. Wer also in Brüssel eine eigenständige juristische Einheit gründet, kann sich nicht auf deutsches Vereinsrecht stützen, sondern muss Satzung, Organe und Verfahren strikt am CSA ausrichten.
Organe / Governance
Die AISBL verfügt über eine Generalversammlung als oberstes Organ sowie über ein Verwaltungsorgan, das in der Praxis häufig als Vorstand bezeichnet wird. Das CSA enthält detaillierte Vorgaben zu Zusammensetzung, Einberufung und Beschlussfassung dieser Organe. Von Bedeutung ist im Rahmen der rechtlichen Beratung regelmäßig auch die Vertretungsbefugnis nach außen sowie die form- und fristgerechte Organisation der Generalversammlung. Zudem ist es erforderlich, dass die Satzung die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, insbesondere seit der Reform im Jahr 2019. Werden diese Vorgaben nicht beachtet, kann dies nicht nur zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen führen, sondern auch persönliche Haftungsrisiken für die Mitglieder des Verwaltungsorgans nach sich ziehen.
Herausforderungen für deutsche Organisationen
In der Praxis zeigt sich, dass viele deutsche Verbände ihre Brüsseler Strukturen zunächst an den vertrauten Mustern des deutschen Vereinsrechts orientieren. Dies führt häufig zu Schwierigkeiten, weil das belgische Recht teilweise abweichende und strengere Regelungen enthält. Häufig sind Satzungen nicht CSA-konform ausgestaltet, etwa hinsichtlich der Kompetenzverteilung zwischen Generalversammlung und Verwaltungsorgan. Ebenso finden sich oft unklare oder zu weit gefasste Regelungen zur Vertretungsbefugnis. Viele Organisationen haben darüber hinaus die seit 2019 geltenden Neuerungen des CSA noch nicht vollständig umgesetzt. Schließlich bestehen Unsicherheiten bei der Durchführung virtueller oder hybrider Generalversammlungen, die nach belgischem Recht an besondere formelle Voraussetzungen gebunden sind.
Die AISBL ermöglicht eine rechtssichere Struktur erfordert jedoch eine sorgfältige Beachtung des belgischen Gesellschafts- und Vereinsrechts. Für deutsche Verbände bedeutet dies, dass ihre Brüsseler Präsenz rechtlich nicht als Verlängerung des deutschen eingetragenen Vereins betrachtet werden kann, sondern einer eigenständigen belgischen Rechtsordnung unterliegt.
Vor diesem Hintergrund ist es empfehlenswert, bestehende Strukturen regelmäßig auf ihre Konformität mit dem CSA zu überprüfen. So können Verbände ihre Handlungsfähigkeit sichern und die persönliche Haftungsrisiken begrenzen.
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