Es kann vorkommen, dass Vorstandsämter eines Vereins oder Verbandes nicht mehr besetzt sind, zum Beispiel durch Rücktritt, Tod oder Abberufung. Wenn dadurch keine Beschlüsse mehr gefasst und notwendige Entscheidungen nicht getroffen werden können, stellt sich die Frage, wie der Verein wieder handlungsfähig wird. Für diese Fälle sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, einen sogenannten „Notvorstand“ nach § 29 BGB einzusetzen.
Der Notvorstand ist jedoch nur eine Ausnahmeregelung und keine Standardlösung. Die Gerichte wenden § 29 BGB äußerst zurückhaltend an, da die Bestellung eines Notvorstands immer einen Eingriff in die Vereinsautonomie bedeutet. Grundvoraussetzung ist daher, dass der Verein tatsächlich nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu organisieren. Dies ist typischerweise der Fall, wenn die Satzung keine Regelung dafür vorsieht, wie mit unbesetzten Vorstandsämtern umzugehen ist und die verbleibenden Vorstandsmitglieder deshalb keine wirksamen Beschlüsse mehr fassen können.
Was sind die Voraussetzungen?
Ein handlungs- oder beschlussunfähiger Vorstand liegt dann vor, wenn das nach der Satzung oder dem Gesetz erforderliche Mindestmaß an Vorstandsmitgliedern nicht mehr vorhanden ist und der Verein seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann.
Damit das Gericht tätig wird, muss zusätzlich eine gewisse Dringlichkeit bestehen. Diese Dringlichkeit kann sich daraus ergeben, dass dem Verein konkrete Nachteile drohen, etwa wenn Fristen versäumt werden könnten oder wichtige rechtsgeschäftliche Entscheidungen nicht getroffen werden können.
Ziel des Notvorstands ist nicht, den Verein langfristig zu führen, sondern ausschließlich, die Handlungsfähigkeit sicherzustellen und vor allem Neuwahlen vorzubereiten. Er bleibt daher nur „bis zur Behebung des Mangels“ im Amt, also bis ein ordnungsgemäß gewählter Vorstand wieder zur Verfügung steht.
Verfahren zur Bestellung
Der Antrag auf Bestellung eines Notvorstands wird beim zuständigen Amtsgericht gestellt. Dabei ist nicht nur der verbliebene Vorstand antragsberechtigt; jedes Vereinsmitglied kann sich an das Gericht wenden, wenn es um die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit geht. Das Gericht berücksichtigt üblicherweise die Vorschläge des Vereins zur Person des Notvorstands. In seltenen Fällen kann es sogar von sich aus tätig werden, wenn ein dringender Handlungsbedarf erkennbar ist.
Wichtig ist allerdings, dass nicht jede Krise im Vorstand die Einsetzung eines Notvorstands rechtfertigt. Wenn der Vorstand zwar vollständig besetzt, aber intern zerstritten ist, wenn einzelne Personen Entscheidungen blockieren oder wenn die Zusammenarbeit schlicht nicht funktioniert, ist dies kein Fall für § 29 BGB. Solche Konflikte müssen innerhalb des Vereins gelöst werden In der Regel geschieht dies durch Einberufung einer Mitgliederversammlung und, wenn nötig, durch Neuwahlen. Mitglieder haben dabei nach § 37 BGB sogar das Recht, die Einberufung einer Mitgliederversammlung zu verlangen. Sollte der Vorstand sich weigern, dem nachzukommen, kann das Amtsgericht die Mitglieder ermächtigen, die Versammlung selbst einzuberufen.
Der Notvorstand nach § 29 BGB ist also ein wichtiges Instrument, um Vereine in Ausnahmesituationen handlungsfähig zu halten. Er dient jedoch ausschließlich der Überbrückung. Vorrang hat immer die Selbstorganisation des Vereins.
Wir beraten Vereine, Verbände und andere gemeinnützige Organisationen bei der rechtssicheren Besetzung des Vorstandes, bei der Vorbereitung und Durchführung von entsprechenden Mitgliederversammlungen sowie bei der rechtlichen Bewertung von Beschlüssen.
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