Mit dem Inkrafttreten des belgischen Gesellschafts- und Vereinsgesetzbuches (Code des sociétés et des associations – CSA) im Jahr 2019 ist das Vereinsrecht in Belgien umfassend modernisiert worden. Die Reform betrifft nicht nur neu gegründete Vereinigungen, sondern entfaltet auch unmittelbare Wirkung auf bereits bestehende internationale Vereinigungen ohne Gewinnerzielungsabsicht (AISBL). Für deutsche Vereine und Verbände, die in Brüssel in dieser Rechtsform organisiert sind, ergibt sich daraus eine konkrete Verpflichtung, die eigene Satzung an die Vorgaben des CSA anzupassen.

Übergangsfristen und Rechtsfolgen

Nach dem Übergangsregime des Gesetzes mussten sämtliche seit 2020 neu errichteten AISBLs das CSA in vollem Umfang berücksichtigen. Für bereits bestehende Organisationen galt zunächst eine Übergangsfrist, die am 1. Januar 2024 endete. Seit diesem Zeitpunkt finden die zwingenden Bestimmungen des CSA Anwendung, unabhängig davon, ob die Satzung angepasst wurde. Satzungsregelungen, die mit den neuen Vorgaben unvereinbar sind, gelten als nichtig und werden automatisch durch die gesetzlichen Bestimmungen ersetzt. Damit ist eine Situation entstanden, in der viele AISBLs zwar formal noch mit einer veralteten Satzung arbeiten, materiell-rechtlich jedoch bereits den Regelungen des CSA unterliegen.

Anpassungsbedarf in Praxis / Haftung

Die Reform hat insbesondere in Bezug auf die Organstruktur und die Haftung der Organmitglieder besondere Relevanz. So präzisiert das CSA die Zuständigkeiten der Generalversammlung und ordnet bestimmte Kompetenzen zwingend diesem Organ zu. Dazu zählen etwa die Entscheidung über Satzungsänderungen, die Entlastung des Verwaltungsorgans oder die Genehmigung wesentlicher Rechtsgeschäfte. Für das Verwaltungsorgan, das in der Praxis meist als Vorstand bezeichnet wird, wurde ein verschärftes Haftungsregime eingeführt. Die persönliche Haftung der Organmitglieder ist zwar betragsmäßig begrenzt, jedoch richtet sich die Höhe der Haftungsobergrenze nach der Größe und wirtschaftlichen Bedeutung der Vereinigung. Damit werden Organmitglieder künftig stärker in die Pflicht genommen, Satzungsbestimmungen und gesetzliche Vorgaben einzuhalten.

Für die Praxis von Bedeutung sind zudem die Vorschriften über die Vertretung der Vereinigung nach außen. Das CSA verlangt klare und eindeutige Regelungen, die sowohl in der Satzung als auch im Unternehmensregister nachvollziehbar dokumentiert sein müssen. Unpräzise oder zu weit gefasste Vertretungsbestimmungen bergen das Risiko, dass Beschlüsse anfechtbar sind oder Organmitglieder persönlich in Anspruch genommen werden können. Hinzu kommt, dass das CSA die Möglichkeit digitaler und hybrider Generalversammlungen ausdrücklich vorsieht, jedoch knüpft es diese an bestimmte formelle Voraussetzungen. Satzungen, die auf dem alten Vereinsgesetz basieren, genügen nicht mehr.

Für deutsche Vereine und Verbände in Brüssel ist die rechtzeitige Satzungsanpassung von zentraler Bedeutung. Eine unterlassene Anpassung kann zu Rechtsunsicherheit und Vertrauensverlust führen. Darüber hinaus steigt das persönliche Haftungsrisiko für die Mitglieder des Verwaltungsorgans, wenn Beschlüsse auf Grundlage einer unzureichenden oder widersprüchlichen Satzung gefasst werden.

Die Reform des CSA ist Ausdruck einer Harmonisierung und Modernisierung des belgischen Gesellschafts- und Vereinsrechts. Für die Praxis bedeutet dies, dass sich deutsche Verbände mit Sitz in Brüssel nicht auf ihre gewohnten Strukturen nach deutschem Vereinsrecht verlassen können, sondern die belgischen Vorgaben konsequent umsetzen müssen. Eine sorgfältige Prüfung und gegebenenfalls Anpassung der Satzung ist unverzichtbar, um die Handlungsfähigkeit der Organisation zu sichern und zugleich die persönliche Haftung der Organmitglieder wirksam zu begrenzen.

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